Als wenn man es gestern Abend schon geahnt hätte. Und der Regen hat es mir die ganze Nacht aufs Dach getrommelt: Morgen wird der Himmel stark wolkenverhangen. Grau drückt jeder noch so schönen Farbe einen Schleier auf. An so einem Tag beschließe ich mal nix zu machen. Das ist mein Plan. Fällt mir schwer, besonders heute und gestern angekommen. Weiß ich doch, dass keine 3 Meilen von hier der Ort ist, an dem mein musikalisches Leben maßgeblich bereichert wurde. Deswegen bin ich hier. Ganz in der Nähe von Bron Yr Aur. – Schon als Jugendlicher habe ich mich immer gefragt, wie es ausgesprochen wird? War mir aber eigentlich egal. Was zählte war die Musik die dahinter steckt.
Über Musik lässt sich NICHT streiten. Sollte man jedenfalls nicht! Musikempfinden ist Geschmacksache! Und Geschmäcker sind verschieden. Ändern sich auch bei jedem von uns im Laufe der Jahre. Manchem ist sein Musikkonsum aus früheren Zeiten peinlich. Muss es aber nicht! Jede Musik hat Ihre Zeit. Genauso wie der dazugehörige Haarschnitt, für den man sich noch mehr schämt. Auch andere Dinge, die mit dem jeweiligen Kult verbunden sind. Habe ich doch einst selbst, langhaarig, alte stinkende Pelzmäntel getragen. Und Springerstiefel dazu. – (Icon mit dem Affen und den Händen vor dem Gesicht) Alles hat seine Berechtigung. Auch wenn es manchmal schwerfällt. Mir zum Beispiel bei dieser heutigen Raps-Musik mit diesem Sprechgesang. Man muss auch nicht alles gut finden!
Mit zunehmendem Lebensalter erfahren wir nicht nur Veränderung, auch Erweiterung. Uns steht immer mehr und immer leichter Vielfalt zur Verfügung. Ob das der Qualität unserem Hörempfinden gut tut?
Es gab Zeiten, da hatte man 12 Platten neben der aufgeklappten Haube seines Plattenspielers stehen. Von morgens bis womöglich spät abends hat man dieses wertvolle Repertoire angehört. Rauf und runter. Jede Scheibe wurde entweder unendlich wertgeschätzt, – oder immer wieder nach hinten sortiert.
Eine Musikrichtung, und ganz besonders eine bestimmte Platte hat mich mein ganzes Leben lang, zumindest ab der Zeit als selbstbestimmter Musik-Konsument, begleitet und fasziniert mich bis heute. Led Zeppelin III. Es gibt mit großem Abstand kein Musikalbum, das ich so oft gehört habe wie dieses mit dem außerordentlich kreativ gestaltetem Cover. Das Frontbild, eine Mischung aus Flower-Power-Elementen auf weißem Hintergrund. Blumen, Schmetterlinge, Kolibris, Sterne. Dazwischen verstörend Kampfflugzeuge und, – natürlich, Zeppeline! Typografisch markant und seitdem ikonisiert der Titel dieser Jahrhundertscheibe: Led Zeppelin III. Besonderheit an diesem Plattenumschlag, die eingelassenen kreisrunden Löcher. Dahinter eine eingebaute Drehscheibe mit weiteren Motiven. Musik hören. Drehen. Nochmal drehen. Gras rauchen.
Wenn Musik emotional zu berühren vermag ist es gute Musik. Kein musikalisches Stück vermochte mich über einen so langen Zeitraum (beinahe 50 Jahre) immer und immer wieder emotional berühren wie „Since I’ve been lovin’ you“. Erste Seite, Stück 4 auf diesem Album.
Für das, was in dieser Musik passiert fehlen mir persönlich die Worte. Es macht mich beim Hören sprachlos. Und danach. Unfassbar, dieses Zusammenspiel der vier Musiker in diesem Stück. So viel Ausdruck, Kraft, Dynamik, Emotionalität. Auch Virtuosität! Die Jungs waren damals erst Anfang bis Mitte Zwanzig! Ihr Musik, handgemacht! Studiotechnik spielte zwar auch schon eine große Rolle. Und besonders Jimmy Page war schon zu der Zeit ein Meister der Regler und Effekte, aber die Basis kam von den Jungs selbst. Entstanden in Bron Yr Aur.
Über diesen Ursprungsort meiner erklärten Lieblingsplatte habe ich schon häufig gelesen. Robert Plant erwähnt ihn in seiner Biografie. Jimmy Page schreibt in mehreren Publikationen über diesen, ihn inspirierenden Platz vergangener Tage.
Es ist keine Ortschaft, nicht einmal eine Ansiedlung. Nur ein abgeschiedenes Cottage mit einem eigenen Namen. Ohne Google-Maps kaum auffindbar. Ich schiebe mein Rad einen enorm steilen Hang hinauf. Alle steilen Anstiege scheinen nie enden zu wollen. Die man mit dem Fahrrad nimmt schon gar nicht. Aus geteerter Straße wird ein unbefestigter Weg. Mehr und mehr mit Gras bewachsen wird daraus beinahe ein Teppich. Der Weg nimmt etwas Verwunschenes an. Alte knorrige Bäume verästeln ihre Kronen über meinem Kopf. Und, -ich hatte es noch nicht erwähnt, spätnachmittags an diesem anfangs grauen Tag ist noch die Sonne herausgekommen. Und mit Ihr alle vorstellbaren Grüntöne. Also habe ich aufgehört mit den Nichtstun. Bin losgefahren mit dem Rad und der Sonne im Hintergrund. Jetzt blitzt sie immer mal wieder durch das dichte Baumkronendach. Und ich fühle mich zunehmend wie im Märchen.
Dann stehe ich auf einmal davor. Erkenne es sofort wieder nach den vielen Abbildungen aus den Medien. Damals noch ohne Strom und fließend Wasser. Heute mit eigenem Windrad und Solarpanelen im Garten. Hierher hatten Robert Plant und Jimmy Page sich nach einer kräftezehrenden Amerika-Tournee zurückgezogen um neue Energie zu sammeln. Und Songs zu schreiben. Das war 1970.
Bei den Fans kam „Led Zeppelin III“ erstmal nicht sonderlich gut an. Zu viel Akustik und Folk. Man war Härteres gewöhnt von den beiden vorherigen Alben und hatte etwas anderes erwartet. Für mich war und ist es das beste der Alben.
Wie auch auf den anderen der ersten sechs Scheiben von Led Zeppelin gleicht kein Stück dem Anderen. Und keines der Stücke ist „B-Ware“ oder fällt hinten rüber auch wenn es Highlights gibt. Über die musikalische Entwicklung nach dem sechsten Album lässt sich diskutieren. Aber nicht streiten.
Ich klettere neben dem Cottage den noch steileren Hang hoch. Ohne Fahrrad. Der Ausblick ist grandios! Das können Fotos nicht wiedergeben. Ich genieße die Magie dieses Ortes. Stecke mir die Headphones in die Ohren und höre Led Zeppelin III so laut es geht. Magisch!
Beseelt und mit meinem treuen Begleiter, dem Tinnitus fahre ich zurück. Was für ein Erlebnis!
Claudia
Olaf Haase
Mario
Olaf Haase