You made my day!

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Es muss ja nicht gleich ein Aston Martin DB5 sein. So einer wie ihn Sean Connery in Goldfinger gefahren und der sich wegen seiner Beliebtheit über sechs weitere Episoden mit 007 gehalten hat. Und auch nicht unbedingt die Ikone aller Autos muss es sein, – ein Jaguar E-Type, – lange Zeit mein erklärtes Traumauto. In „British Green“, Silber, – oder in Rot? Diese Entscheidungsfrage war zugegeben nicht der einzige Grund, warum es nie zu einer Anschaffung gekommen ist.

Heute wäre ich mit einem goldfarbenen MG – BGT schon glücklich. So wie Neil, der sich damit einen Traum erfüllt hat.
Ich begegnete ihm an einem Sonntagmorgen an der walisischen Westküste in Fairbourne an der Cardigan Bay. – Ein außerordentlich schönes Fleckchen Erde und Wasser dort in Wales-. Steht man auf den Dünen geht der Blick von links aus gen Norden über die breite Mündung des Flusses Mawddach hinüber auf den schönen Ort Barmouth. Den Panoramablick nach rechts gewandt sieht man auf eine beeindruckende Holzkonstruktion, die sich weit über die Flussmündung bis zum anderen Ufer zieht. Über diese Holzbrücke aus dem Jahr 1867 verläuft eine Bahnstrecke. Und parallel dazu der Anfang des Mawddach-Trails, ein gut 8 Meilen langer Wander- und Radweg.

Mit dem Rad über die schiefen Holzbohlen der alten Brücke rumpelnd scheint es, als könne man mit der Lautstärke des tonnenschweren Zuges mithalten. Nicht aber was die Geschwindigkeit angeht. Gut so, denn spätestens in der Mitte sollte man eine Pause einlegen. Da nämlich versuchen sich die vier Himmelsrichtungen an Aussicht gegenseitig überbieten zu wollen.

Mit seinem Classic-Car, einem MG BGT hat sich Neil für diesen Sonntagmorgen auf der gegenüberliegenden Seite zum Picknick mit Perspektive auf die lange Eisenbahnbrücke einen besonders schönen Platz ausgesucht. Aus dem Westen Englands kommend hat er sich heute schon früh mit seinem Auto auf den Weg gemacht und dabei bereits einmal komplett Wales durchquert.

Er, scheinbar Frühaufsteher, hat schon über zwei Stunden Fahrtzeit hinter sich. Ich, gerade erst mit dem Frühstück fertig, habe mir auf den Anhöhen der Dünen zum Wachwerden den Wind um die Ohren wehen lassen.

Währenddessen hat sich der Parkplatz auf dem ich mit meinem Campervan übernachtet habe mit weiteren Fahrzeugen gefüllt. Menschen kommen mit ihren Hunden zur morgendlichen Gassi-Runde. Andere lassen Boote zu Wasser. Ein Auto aber fällt besonders auf und lässt meinen Blick nicht mehr los. Ein Mann sitzt im Klappstuhl neben dem auffällig schönen goldenen Gefährt und schält sich eine Banane. Vor sich einen stilechten Picknick-Korb. Eine filmreife Szene, die zum Fotografieren herausfordert.

Dass früher alles besser war stimmt nicht grundsätzlich. Aber seien wir mal ehrlich. Das Design von italienischen und britischen Autos der 60er und 70er Jahre ist nicht zu toppen. Und ein MG – BGT, Baujahr 1973 gehört definitiv dazu.

Ich komme schnell und ungezwungen mit Neil ins Gespräch dder genüsslich seine Banane isst. Er freut sich über mein Interesse an seiner Liebhaberei guter Autos. Und ich freue mich, ihn sprachlich gut verstehen zu können. Nach den vielen Konversationen der letzten Wochen auf meiner Reise mit Schotten, Iren und auch akzentschweren Engländern spricht er mit mir in einem mustergültigen Englisch.

Mit der Beantwortung meiner ersten Frage, ob die Lackierung noch original sei, wird deutlich, dass der MG für Neil nicht einfach nur irgendein Auto ist. „Der neue Goldton ist etwas dunkler als ursprünglich und in einer Metalic-Lackierung. Mit dieser Entscheidung habe ich mich sehr schwer getan. Es hat mich ein ganzes Jahr des Abwägens gekostet weil ich das Auto doch eigentlich so ursprünglich wie möglich lassen wollte!“ – Er hat es nicht bereut. „Die neue Lackierung hat eine bessere Qualität und macht das Auto wertiger ohne es zu verfremden!

Andere Fahrer dieses Models haben längst das große, etwas unhandliche Lenkrad gegen ein kleineres sportlicheres ausgetauscht. Neil mag es so wie es von Anfang an gedacht war. Und auch die Stoßstangen sind trotz der altersbedingten Chromflecken immer noch die Originalteile. „Ein 50 Jahre altes Auto darf auch Patina haben“.

Nicht vorhergesehene Kosten für die Instandsetzung in den Originalzustand hätten ihm einen Nervenzusammenbruch eingebracht. Ich halte diese Aussage zuerst für eine Floskel. Im Laufe unseres weiteren Gesprächs wird aber deutlich, dass er es nicht nur sprichwörtlich gemeint hat. „In eine Liebhaberei wie diese steckt man nicht nur viel Geld. Es entsteht auch eine emotionale Bindung“. Für Neil ist sein Fahrzeug nicht nur ein stilvolles Fortbewegungsmittel. Es erfüllt ebenso den Zweck der Verbindung zu anderen Menschen. Neil gesteht mir offen, er liebt es, sein „Goldstück“ vor Publikum zu präsentieren und sich darüber auszutauschen.

Nun ist er aber pleite und hat Schulden die zu begleichen sind. In Fachkreisen hat er sich bereits über den aktuellen Wert des britischen Klassikers erkundigt. Ein Verkauf ist leider nur noch schwer abzuwenden. So hat dieser schöne Sonntagsausflug auch etwas Melancholisches. Und für mich ergibt die filmhafte Szene am Anfang unerwartet ein völlig neues Bild. „Die Ausfahrten mit meinem Auto haben seit einiger Zeit den Charakter einer Abschiedstournee!“ Und als er mir das erzählt lassen sich Tränen hinter Neils dunkler Sonnenbrille vermuten. Eine Einladung zur nächsten Classic-Car-Show hat er bereits in der Tasche. Er vermutet, es könnte die letzte sein.

Wir haben nicht nur über sein Auto gesprochen, das ihm so viel bedeutet. Über das Thema Arbeit haben wir uns auch ausgetauscht. Und über die Werte der Jugendlichen von früher und heute haben wir geredet. – Ohne den wunderschönen MG wäre womöglich kein Gespräch entstanden.


„You made my day!“ bekomme ich mit auf den Weg als er sich aus seinem Klappstul erhebt und mich winkend verabschiedet.

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5 Antworten

  1. Ines
    Was für eine wunderbare Begegnung und wieder so schöne Bilder, die die Reiselust wecken 😊
    • Mario
      Danke Ines! Die Begegnung und Gespräch mit Neil war tatsächlich so, wie man es sich wünscht. Mehr als nur small-talk. 😊
    • Mario
      Hey Jasmin, mich hätte es auch sehr gereizt. Eine Runde mit diesem schönen Auto in dieser tollen Gegend….. Aber womöglich hätte ich dann überlegt, es ihm abzukaufen ….
  2. Mario
    Von Neil erhielt ich folgende Zeilen: Thank you so much for sending me the photo’s you took during our meeting at Fairbourne. I really enjoyed our conversation and will be keeping in touch with you. You write your blog very well and you recorded our meeting with sensitivity and in excellent prose. The quality of your photographs is excellent and you managed to make even me look good! My car always photographs well. Since our meeting I have become cautiously optimistic that I may not have to sell my beloved MG but the situation is still fluid at present. I will know more after MGB60 at the end if this month and will keep you informed of the situation. Keep up the good work with your blog. I look forward to reading more about your adventures as you travel around the UK. All the very best to you from ND

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