Der wahrscheinlich älteste Fußball der Welt

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Man kennt es aus der Zeit vergangener Kindheit oder Jugend, – oder man erlebt es mit den eigenen Kindern. Nach so manchem Spiel ist er einfach verloren gegangen. Irgendjemand hat ihm aus Übermut oder aus Frust über das verlorene Match einen letzten gewaltigen Kick verpasst. Und dann ist der Ball auf dem Garagendach gelandet, – oder ganz tief im Gebüsch. Und dort wurde er dann vergessen.
Erst nach dem nächsten Winter hat man ihn wiedergefunden. Frühestens. Und dann war nicht mehr so viel mit ihm los. Ganz schlapp geworden von den Witterungseinflüssen und danach kaum noch in die alte Form zurückzubekommen. Egal, – zwischenzeitig hatte jemand für Ersatz gesorgt. Das Spielen konnte weitergehen.

Eine ähnliche Geschichte hat der wahrscheinlich älteste erhaltene Fußball der Welt hinter sich, – allerdings mit einer deutlich längeren Spielpause. Nach ca. 430 Jahren hat man ihn wiederentdeckt. Bei Renovierungsarbeiten an einer Deckenverkleidung aus Holz. über dem einstigen Schlafgemach der schottischen Königin Mary kam er zum Vorschein. So viel steht fest, die Eltern von Mary, König James der Fünfte und Mary of Guise hatten die Holzverzierung im Stirling Castle Ende der 1540er Jahre anbringen lassen. Mary wurde 1542 geboren und wohnte seit 1543 in Stirling. Man geht davon aus, dass der Fußball eines der Spielzeuge der jungen zukünftigen Königin war.

Außen aus Kuhleder gefertigt und innen mit Schweinsblase versehen ist er recht leicht und hat ungefähr nur die Hälfte der Größe und des Gewichts eines heutigen Fußballs. Wahrscheinlich wurde er vorwiegend in den Gartenanlagen zum hoheitlichen Kicken benutzt. Es gibt Aufzeichnungen vom 11. April 1497, – also schon einige Jahre vor der Geburt des königlichen Nachwuchses -, dass ein Hofangestellter namens Jame Dog Geld bekommen habe für die Anschaffung von Fußbällen. Vielleicht ist dieses gefundene Exemplar eines davon.

Das Spielen mit Bällen auf öffentlichen Straßen und Plätzen ist in England schon mindestens seit dem 14. Jahrhundert bekannt aber nicht von allen beliebt. Damals schon erwirkten Londoner Kaufleute bei König Edward ein Gesetz um gegen wildes und regelloses Ballspielen im Volke vorgehen zu können. So wurde am 13. April 1314 ein Gesetz ausgerufen: „…. there is great noise in the city caused by hustling over large balls from which many evils may arise which God forbid; we command and forbid, on behalf of the King, on pain of imprisonment, such game to be used in the city in the future.“

Auch in Schottland wurde ungefähr zeitgleich das Spielen mit dem Ball in der Öffentlichkeit verboten, jedoch aus anderen Gründen: Scheinbar hielt das Kicken zu sehr von der Übung des Bogenschießen und somit von der Verteidigung des Landes ab.

Auch aus den späteren Jahren 1457, 1471 und 1491 sind Verbote gegen die Teilnahme am Spiel mit dem runden Leder verbrieft. Die Parlamente der derzeitigen Könige, – die hießen übrigens alle James (II, III, IV) konnten so garnichts Gutes daran fnden. Das Spielen mit dem Lederball war zu sehr mit Gewalt verbunden und ist wohl recht ruppig zugegangen.
Sogar aus Manchester ist bekannt, dass sich die Autoritäten 1608 über folgenden Umstand beschwerten: „With the ffotebale … (there) hath beene great disorder in our town of Manchester we are told, and glasse windowes broken yearlye and spoyled by a companie of lewd and disordered persons ….“

Frühe Aufzeichnungen aus China und aus dem präkolumbianischen Südamerika zeugen davon, dass dort mit einem Ball nicht nur zu rituellen Zwecken, sondern auch schon längst zum reinen Vergnügen gespielt wurde. Es sollte aber noch eine lange Zeit dauern bis aus England ganz andere Spielregeln aufgestellt wurden.

An den englischen Privatschulen und Universitäten waren Rugby und Fußball sehr beliebt. Weil es aber keine einheitlichen Regeln gab konnten die Mannschaften nicht gegeneinander antreten. Um das zu ändern verfassten einige Studenten an der Elite-Universität in Cambridge im Jahr 1848 ein Regelwerk, zunächst für Mannschaften bestehend aus 15 bis 20 Spielern. Auch die Feldspieler durften dabei unter bestimmten Umständen den Ball noch in die Hand nehmen, aber bloß nicht weitertragen. Diese Variante entsprach eher noch dem Rugby, als das, was wir heute unter Fußball verstehen. Erst als 1863 in London die Football Association (FA) gegründet wurde gingen durch die nach und nach erweiterten Regeln beide Sportarten eigene Wege.

England gilt heute als das Mutterland des modernen Fußballs. Von hier aus wurde 1866 die erste Abseitsregel eingeführt. Die unterschied sich aber noch deutlich von der heute geltenden Form. Dann kamen „Eckball“ und „Freistoß“ hinzu. Und seit 1870 waren pro Mannschaft nur noch 11 Spieler zugelassen. Ab dem folgenden Jahr verbot der englische Fußballverband den Feldspielern das Handspiel. Und wiederum ein Jahr später wurde eine einheitliche Ballgröße festgelegt.

Die Popularität dieser Spielart nach neuen Regeln nahm rasant zu. Und schon im Jahr 1872 fand das erste offizielle Länderspiel auf dem Hamilton Crescent bei Glasgow statt. Dort begegneten sich eine schottische und eine englische Auswahlmannschaft. Das Spiel ging torlos aus.

In den darauffolgenden Jahren wurden die Spiele mit dem runden Leder noch weiter entwickelt. Der Schiedsrichter kam hinzu, – und der hat sich einige Jahre später durch die Einführung der Trillerpfeife mehr Gehör verschafft. Vorher noch wurden genaue Tormaße festgelegt. – Halbzeitpause, Seitenwechsel, Linienrichter, Strafstoß, Tornetz und Verlängerung wurden vor der Jahrhundertwende eingeführt.

Faszinierend, was sich bis heute aus dem Spiel mit dem Ball aus Kuhhaut und Schweinsblase entwickelt hat. Einst versuchten zwei Dörfer einen Ball in das gegnerische Stadttor zu befördern. Ohne Rücksicht auf Verluste und vor allem Mangels Regeln war dieser Wettkampf häufig mit argen Verletzungen verbunden. Da hat sich auch gerne mal spontan und gänzlich unsportlich ein Unbeteiligter in das Spielgeschehen eingemischt ohne dafür großartig belangt zu werden.

Nun aber treten sich die Mannschaften in gebügelter Kleidung gegenüber. Ihre Akteure bekommen heute spielend in einer Saison so viel Geld wie die meisten Menschen ihr Leben lang niemals durch ehrliche Arbeit verdienen können. Die Vermarktung rund um die luftgefüllte Blase ist zu einem Milliardengeschäft geworden.

Vieles hat sich geändert, – oder eigentlich alles. Nicht einmal die Bälle sind mehr aus organischem Material. Seit der Fuball-WM 1986 fliegen sie schneller und verformen sich auch nicht mehr so leicht. Das Spielgerät besteht nun aus Kunststoff namens Polyurethan. Da darf es auch mal länger auf dem Garagendach liegenbleiben. Aber bitte nicht wieder 430 Jahre.

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2 Antworten

  1. Olaf
    kennst du noch den alten fussball Platz in Barkhausen an der Hunte? Da müssten auch noch ein paar von diesen Kalibern liegen, wenn auch nicht ganz so königlich, eher Marke „Pille“ nach zwei drei mal in die Hunte war der Kopfball nicht mehr ganz so spaßig. die neuen Bälle haben also auch was Gutes
    • Mario
      Ja klar, Olaf, der Fußballplatz an der Hunte war doch zu jeder Zeit ein Feuchtgebiet. Gibt es den eigentlich noch? Hat man ihn trockengelegt?

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